Simone Attilio Bellezza

Simone Attilio Bellezza ist außerordentlicher Professor für Neueste Geschichte in der Abteilung Humanwissenschaften der Universität Ostpiemont. Er war Gastwissenschaftler am Harvard Ukrainian Research Institute (2008 und 2019), am Centre for Advanced Study Sofia (2014), am Harriman Institut der Columbia-Universität (2016), an der Universität Toronto (2017) und an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie (2021).

Der rote Faden seiner Forschungsarbeit sind Studien zur nationalen Zugehörigkeit und deren Verhältnis zu anderen Arten der Loyalität (sozialer, politischer, kultureller und religiöser). Sein Buch The Shore of Expectations: A Study on the Culture of the Ukrainian Shistdesiatnyky (CIUS Press, Toronto, 2019) wurde 2020 mit dem Pritsak Book Prize der ASEEES ausgezeichnet und wird demnächst (2024) auch in ukrainischer Übersetzung beim Verlag Duch i litera erscheinen. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der ukrainischen Diaspora im Westen im 20. Jahrhundert.
Von der Public History zur Fake History. Die ukrainische Geschichte in den italienischen Medien seit dem 24. Februar 2022
Der Beitrag analysiert die Präsenz von Themen der ukrainischen und sowjetischen Geschichte in der öffentlichen Diskussion in Italien, und zwar seit Beginn der großangelegten russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022. Nach einer kurzen Einführung zur italienischen Diskussion aufgrund von Publikationen über die Orange Revolution und die Revolution der Würde wird gezeigt, dass einige Phänomene, die bereits seit 2005 feststellbar sind, heute immer noch Bestand haben: Ungeachtet des Engagements von Wissenschaftler*innen, die zur ukrainischen Geschichte und Literatur arbeiten, um die ukrainisch-russischen Beziehungen zu erklären, haben die italienischen Medien (Verlage, Zeitungen und Fernsehen) vor allem selbsternannte Ukraine-Expert*innen eingeladen, die die ukrainische Geschichte verzerren, um explizit Putin und den Angriffskrieg zu verteidigen. Interessanterweise waren diese Expert*innen keine Historiker*innen, und wenn sie es waren, dann keine Fachleute für Osteuropa oder neueste Geschichte. Der Beitrag analysiert die Arbeiten von Nicolai Lilin, Alessandro Orsini und Franco Cardini und zeigt auf, dass sie die ukrainische Demokratie als eine neonazistische Diktatur, und Putin als Opfer eines aggressiven Expansionismus der USA in Richtung Osteuropa darstellen. Im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen gab es nicht wenige Fälle, dass Expert*innen für osteuropäische Geschichte auf Konferenzen auftraten und Bücher schrieben, die einer russlandzentrierten Logik folgten, die wiederum das militärische Vorgehen rechtfertigte. Der aufsehenerregendste Fall ist der von Aldo Ferrari (Leiter der Sektion eurasische Geschichte an der Universität Venedig und Direktor der Osteuropa-Abteilung des Instituts für Internationale Politische Studien, ISPI) und seiner Geschichte der Krim. Die populärsten Stimmen zur Verteidigung der Ukraine haben grundlegend dabei versagt, die wahren Gründe für den Konflikt zu erklären, und zwar aus zwei Gründen: 1) waren die Expert*innen nicht in der Lage, einen hinreichend vereinfachten Diskurs zu führen, der ein Massenpublikum anspricht (z.B. Andrea Graziosi); 2) andererseits war etwa im Fall des von Giorgio Cella verfassten erfolgreichsten Buches über die Geschichte der Ukraine, der Autor kein Fachmann für dieses Gebiet, und Cellas überzogen vereinfachte Version der Geschichte war nicht in der Lage, Antworten auf die irreführenden Kontroversen zu bieten, die die Unterstützer*innen von Putins Regime ausgelöst haben.
Simone Attilio Bellezza
Simone Attilio Bellezza ist außerordentlicher Professor für Neueste Geschichte in der Abteilung Humanwissenschaften der Universität Ostpiemont. Er war Gastwissenschaftler am Harvard Ukrainian Research Institute (2008 und 2019), am Centre for Advanced Study Sofia (2014), am Harriman Institut der Columbia-Universität (2016), an der Universität Toronto (2017) und an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie (2021).

Der rote Faden seiner Forschungsarbeit sind Studien zur nationalen Zugehörigkeit und deren Verhältnis zu anderen Arten der Loyalität (sozialer, politischer, kultureller und religiöser). Sein Buch The Shore of Expectations: A Study on the Culture of the Ukrainian Shistdesiatnyky (CIUS Press, Toronto, 2019) wurde 2020 mit dem Pritsak Book Prize der ASEEES ausgezeichnet und wird demnächst (2024) auch in ukrainischer Übersetzung beim Verlag Duch i litera erscheinen. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der ukrainischen Diaspora im Westen im 20. Jahrhundert.
Von der Public History zur Fake History. Die ukrainische Geschichte in den italienischen Medien seit dem 24. Februar 2022
Der Beitrag analysiert die Präsenz von Themen der ukrainischen und sowjetischen Geschichte in der öffentlichen Diskussion in Italien, und zwar seit Beginn der großangelegten russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022. Nach einer kurzen Einführung zur italienischen Diskussion aufgrund von Publikationen über die Orange Revolution und die Revolution der Würde wird gezeigt, dass einige Phänomene, die bereits seit 2005 feststellbar sind, heute immer noch Bestand haben: Ungeachtet des Engagements von Wissenschaftler*innen, die zur ukrainischen Geschichte und Literatur arbeiten, um die ukrainisch-russischen Beziehungen zu erklären, haben die italienischen Medien (Verlage, Zeitungen und Fernsehen) vor allem selbsternannte Ukraine-Expert*innen eingeladen, die die ukrainische Geschichte verzerren, um explizit Putin und den Angriffskrieg zu verteidigen. Interessanterweise waren diese Expert*innen keine Historiker*innen, und wenn sie es waren, dann keine Fachleute für Osteuropa oder neueste Geschichte. Der Beitrag analysiert die Arbeiten von Nicolai Lilin, Alessandro Orsini und Franco Cardini und zeigt auf, dass sie die ukrainische Demokratie als eine neonazistische Diktatur, und Putin als Opfer eines aggressiven Expansionismus der USA in Richtung Osteuropa darstellen. Im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen gab es nicht wenige Fälle, dass Expert*innen für osteuropäische Geschichte auf Konferenzen auftraten und Bücher schrieben, die einer russlandzentrierten Logik folgten, die wiederum das militärische Vorgehen rechtfertigte. Der aufsehenerregendste Fall ist der von Aldo Ferrari (Leiter der Sektion eurasische Geschichte an der Universität Venedig und Direktor der Osteuropa-Abteilung des Instituts für Internationale Politische Studien, ISPI) und seiner Geschichte der Krim. Die populärsten Stimmen zur Verteidigung der Ukraine haben grundlegend dabei versagt, die wahren Gründe für den Konflikt zu erklären, und zwar aus zwei Gründen: 1) waren die Expert*innen nicht in der Lage, einen hinreichend vereinfachten Diskurs zu führen, der ein Massenpublikum anspricht (z.B. Andrea Graziosi); 2) andererseits war etwa im Fall des von Giorgio Cella verfassten erfolgreichsten Buches über die Geschichte der Ukraine, der Autor kein Fachmann für dieses Gebiet, und Cellas überzogen vereinfachte Version der Geschichte war nicht in der Lage, Antworten auf die irreführenden Kontroversen zu bieten, die die Unterstützer*innen von Putins Regime ausgelöst haben.